Ab Juli 2021 gelten in Europa für Unternehmen auf der ganzen Welt neue E-Commerce-Regeln in Bezug auf die Mehrwertsteuer. Diese Veränderungen werden sich stark auf die Berechnung und das Ausweisen der fälligen Mehrwertsteuer in Europa auswirken – sowohl für Produkte, die innerhalb der EU vertrieben werden, als auch solche, die aus dem Ausland in Mitgliedsstaaten importiert werden.
Konzentrieren wir uns zunächst auf den Verkauf an Endkonsumenten von Waren, die sich bereits physisch in der EU befinden. Die aktuellen Regeln verwenden Entfernungsschwellenwerte von 100.000 € oder 35.000 €, um zu bestimmen, ob der Mehrwertsteuersatz des Bestimmungslandes anzuwenden ist.
Beispiel: Ein Händler in den Niederlanden verkauft an Endverbraucher in Frankreich und Deutschland. Der Verkaufswert nach Deutschland überschreitet den aktuellen Entfernungsumsatzschwellenwert von 100.000 €, sodass für diese Verkäufe der deutsche Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist. Für Frankreich gilt ein geringerer Entfernungsumsatzschwellenwert von 35.000 € und da die Verkäufe nach Frankreich unterhalb dieses Schwellenwerts liegen, muss die französische Mehrwertsteuer nicht erhoben werden. Stattdessen muss die niederländische Mehrwertsteuer berechnet und ausgewiesen werden.
Gemäß der neuen Regeln wird die fällige Mehrwertsteuer anhand des Gesamtumsatzes eines Unternehmens aus grenzüberschreitenden Umsätzen innerhalb der EU bestimmt. Wenn der Umsatz eines Unternehmens dabei 10.000 € überschreitet, muss die Mehrwertsteuer des jeweiligen Ziellandes berechnet werden; jedoch kann das Unternehmen diese Mehrwertsteuer über die neue optionale One-Stop-Shop(OSS)-Mehrwertsteuererklärung einreichen. Wenn im Beispiel oben der Umsatz des niederländischen Anbieters den Schwellenwert überschreitet, muss sowohl die französische als auch die deutsche Mehrwertsteuer berechnet werden. Dies kann über den OSS in den Niederlanden ausgewiesen werden.
Der OSS erleichtert zwar das Ausweisen der Mehrwertsteuer, aber aufgrund der neuen Schwellenwertberechnung wird die Mehrwertsteuerberechnung komplizierter. Verkäufer, die die Schwellenwerte zuvor nicht überschritten haben, müssen nach den neuen Regeln nun unter Umständen die Mehrwertsteuer mehrerer Zielländer berechnen. Unternehmen in der EU müssen also jetzt ihre Lieferungen überprüfen, um sich auf den Übergang vorzubereiten.
Die aktuellen Regeln für Kunden, die Waren von außerhalb der EU an Kunden in der EU verkaufen, hängen von einer Import-Freistellung in Höhe von 22 € ab. Für Produkte unterhalb dieses Wertes wird keine Mehrwertsteuer erhoben.
Beispiel: Ein Händler in den USA verkauft Produkte nach Frankreich und Deutschland. Bei den nach Frankreich verschickten Waren liegt der Wert über 22 €, sodass bei der Einfuhr Mehrwertsteuer anfällt. Die an Kunden in Deutschland verkauften Produkte haben einen Wert von unter 22 €, sodass diese von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Nach den neuen Regeln wird der Freibetrag von 22 € abgeschafft, und der Schwellenwert, bei dem die Erhebungsmethode der Mehrwertsteuer geändert wird, liegt bei 150 €. Für Produkte, die diesen Wert nicht überschreiten, wird ein spezieller Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt. Während diese Produkte von der Import-Mehrwertsteuer befreit sind, müssen Unternehmen die Mehrwertsteuer des Ziellandes auf ihre Verkäufe berechnen und ausweisen.
Die bevorstehenden Regelungen werden den Umgang von E-Commerce-Unternehmen innerhalb und außerhalb Europas mit der Mehrwertsteuer grundlegend verändern. Einzelhändler werden ihre ERP-Plattformen und die verwendete Steuertechnologie überarbeiten müssen, um konform zu bleiben. Achten Sie auf meinen nächsten Blog-Beitrag, in dem ich die Auswirkungen der neuen Mehrwertsteuerregeln für E-Commerce-Marktplätze in Europa erläutern werde.